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Sprout Consulting

Wenn AGIL einfach nicht agiler macht

- ein Interview mit Philipp Bosselmann, unserem Experten für agile Arbeitsweisen

Wenn AGIL einfach nicht agiler macht

SPROUT: In vielen unserer Mandate geht es darum, Arbeitsweisen zu entwickeln, die die organisationsweite Zusammenarbeit unserer Kunden offener, dynamischer und effektiver, mit anderen Worten also „agiler“ machen sollen. Und das, obwohl etliche dieser Unternehmen in den letzten Jahren viel Zeit und Geld investiert haben, um ihre Organisation agiler aufzustellen.

Wie kommt das? Wieso haben diese Initiativen so wenig Wirkung gezeigt?


Philipp: Ich denke das liegt daran, dass die meisten Initiativen vor allem aus dem Schaffen neuer Rollen und Strukturen bestanden. Man hat versucht die, aus der agilen Software-Entwicklung bekannten Standardformate in die eigene Organisationsstruktur zu implementieren. Und dabei vielerorts eine Parallelstruktur aufgebaut, die in Konkurrenz zur bereits vorhandenen steht. Auf diese Weise aber sind neue Grenzen, zusätzliche Abläufe und Intransparenzen entstanden, die die Organisation gerade nicht agiler, sondern eher träger und schwerfälliger machen.


Wenn neue Rollen und Strukturen Agilität eher behindern, welche Veränderungen sind es dann, die eine Organisation agiler machen?


Das Ziel von Agilität ist ja eigentlich, Entscheidungen schnell und kompetent dort zu treffen, wo sie anfallen. Das funktioniert natürlich umso besser, je weniger mentale und organisatorische Grenzen zwischen denjenigen bestehen, die für die Entscheidungs-findung wichtig sind.

Für mehr Agilität müssen genau solche Hindernisse, die einer flexiblen und eigen-verantwortlichen Zusammenarbeit im Weg stehen, gezielt abgebaut werden.

Dabei können dann durchaus auch neue Rollen und Strukturen entstehen, aber eben aus den konkreten Bedürfnissen der Organisation heraus, mit einem echten Nutzen für alle Beteiligten. Und je spürbarer dieser Nutzen für alle Beteiligten ist, umso eher wird aus dem Bemühen um mehr Agilität eine wesentliche und gelebte Kultureigenschaft.


Aber stehen die Grenzen die Du als Hauptursache für fehlende Agilität im Unternehmen bezeichnest, nicht auch einer solchen evolutionären Kulturentwicklung im Weg?


Die Gefahr besteht: Das sieht man zum Beispiel in den Unternehmen, die Agiles Arbeiten allein auf Projektebene eingeführt haben, ohne die Führungskräfte mit einzubeziehen. Hier bleibt Agilität fast immer ein Fremdkörper in der Organisation.

Denn die Führungskräfte, die die Verbreitung agiler Arbeitsweisen aktiv befördern müssten, kennen weder die Anforderungen und Wirkweisen noch das Potential von Agilem Arbeiten. Sie erleben die neue Projektkultur vielmehr als Zuwachs an Unverbindlichkeit, Unklarheit und fehlender Steuerungsmöglichkeit. Und wenn die hierarchischen Strukturen verhindern, dass die Beteiligten ihre Bedürfnisse offen kommunizieren, dann wird Agilität schnell als Verschlechterung empfunden, noch bevor sie überhaupt zum Leben erweckt wurde.


Was rätst Du also Unternehmen, die wirksam agiler werden wollen?


Zunächst einmal sollten sie für sich klären, was genau sie mit mehr Agilität eigentlich erreichen wollen, und dieses Zielbild auch klar in die Organisation kommunizieren.

Diejenigen, die von den angestrebten Veränderungen betroffen sind, sollten beteiligt und ihre Bedürfnisse und Anforderungen vorurteilsfrei gehört und wertgeschätzt werden.

Insbesondere die Führungsebene sollte von Anfang an für den Kulturwandel gewonnen und aktiv in die Gestaltung des organisatorischen Rahmens und das Projektumfelds eingebunden werden.

Und dann müssen die Erfolge, die dank der Veränderungen erreicht werden, organisationsweit kommuniziert und beworben werden. Denn nur, wenn alle in der Organisation erkennen, dass die neue Kulturtechnik einen echten Vorteil bringt, wird Agilität es schaffen zum Teil der Organisationskultur zu werden.


Ein Kulturwandel dauert. Die Herausforderungen unserer Zeit erfordern aber genau jetzt schnelle Entscheidungen und einen souveränen Umgang mit Unsicherheiten. Wie lässt sich dieses Dilemma lösen?


In unseren Kundenmandaten machen wir das mit Leuchtturmprojekten. Wir identifizieren zusammen mit den Kunden die Projekte, die eine besondere Relevanz und Dringlichkeit für das Unternehmen haben, und helfen dann, mithilfe agiler Herangehensweisen schnell und fokussiert zu einem Ergebnis zu kommen. So wird die Organisation im Tun mit den neuen Kulturtechniken vertraut, die Hürden, die agiles Arbeiten im Unternehmen behindern, werden unmittelbar identifiziert und angegangen, und ein dringliches und wichtiges Projekt wird erfolgreich umgesetzt.

Am Ende hat man also nicht nur die Lösung für eine drängende Herausforderung, sondern auch eine echte Erfolgsgeschichte agilen Arbeitens, und eine Blaupause für den organisationsweiten Kulturwandel.


Das heißt agile Herangehensweisen funktionieren auch ohne agile Kultur?


Ich würde sogar sagen, eine agile Kultur kann nur dort entstehen, wo agile Herangehensweisen erfolgreich ausprobiert wurden.



Das Interview führte Rike Bosselmann, SPROUT Agentur und Geschäftsführung

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